„Wer Fleisch isst, muss kein schlechtes Gewissen haben“

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war am 13.08.2019 ein interessantes Interview mit Thomas Reichert, dem Inhaber der Frankfurter Metzgerei „Haxen Reichert“. 

Anbei das Interview aus der Online Mediathek der FAZ: 

https://www.faz.net/social-media/instagram/ein-metzger-ueber-fridays-for-future-und-die-fleischsteuer-16329377.html?premium#void

 
Jetzt spricht der Metzger „Plötzlich wird erzählt, dass Tiere eine Seele hätten“

Schon als Kind hat Thomas Reichert sein erstes Tier geschlachtet. Heute gehört ihm die Frankfurter Metzgerei „Haxen Reichert“. Er erzählt, was er von der Fleisch-Debatte hält.

Von PAULINA WÜRMINGHAUSEN

Seit 1934 gibt es die Metzgerei „Haxen Reichert“ in Frankfurt Höchst. Thomas Reichert ist Inhaber des Familienbetriebs.
© Pepaj, Marina
Seit 1934 gibt es die Metzgerei „Haxen Reichert“ in Frankfurt Höchst. Thomas Reichert ist Inhaber des Familienbetriebs.

Zur Zeit wird viel über Fleisch gesprochen – über eine Fleischsteuer, darüber, dass wir zu viel Fleisch essen, oder über vegane Ernährung im Kindergarten. Was halten Sie von der ganzen Diskussion?

Der Fleischkonsum ist in den letzten zwei Generationen nicht mehr gestiegen. Wenn einige Experten behaupten, dass wir zu viel Fleisch essen, dann frage ich mich: Im Verhältnis zu was? Früher war es so, dass die Leute gegessen haben, was sie mochten und worauf sie Lust hatten. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, das in Frage zu stellen. Dass das heute der Fall ist – ich würde einfach mal sagen, das liegt am vollen Bauch.

Wir leben in einem unglaublichen Überfluss, uns drohen kein Hunger und keine Missernten. Da kommt man manchmal auf sehr merkwürdige Ideen. Ich glaube, die Politiker tun gut daran, dass das Essen für alle verfügbar – und vor allem bezahlbar bleibt.

Würde man mit einer Fleischsteuer eine bessere Tierhaltung erreichen?

Diese öffentliche Diskussion um Tierschutz ist maximal 20, 30 Jahre alt. Früher galten Tiere als Nutztiere. Plötzlich wird erzählt, dass Tiere eine Seele hätten und gehätschelt und getätschelt werden müssen. Natürlich darf man Tiere nicht quälen; sie müssen gutes Futter und ausreichend Platz haben. Aber sie mit uns auf eine Stufe zu stellen, das ist ein grober Denkfehler. Diese Fleischsteuer ist nichts weiter als eine allgemeine Steuererhöhung, das wird den Tieren überhaupt nichts bringen. Der Staat muss dafür sorgen, dass die Fleischgewinnung weiter funktioniert, vor allem in regionaler Hinsicht. Erst dann wird sich die Tierhaltung verbessern.

Welche Auswirkungen würden Sie hier in der Metzgerei durch eine Fleischsteuer spüren?

Es würde nichts Wesentliches verändern – ich glaube, das werden nur Menschen merken, die sowieso schon jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen. Und die kaufen selten beim Metzger ein. Der jetzige Fleischpreis ist deutlich günstiger als früher. Das kann man beklagen, auf der anderen Seite haben die Leute jetzt mehr Geld für andere Ausgaben. Satte Bürger stabilisieren das Gemeinwesen. Da einzugreifen und durch Verbote in irgendeiner Form dafür zu sorgen, dass es Versorgungsengpässe gibt, die Regale leer bleiben und man den Leuten Vorschriften machen muss, was sie zu essen haben und was nicht – so dumm ist kein Politiker.

Deshalb wird sich bei der Massentierhaltung nichts ändern. Das geschieht nur, wenn wir anfangen, Fleisch wieder mehr Wertschätzung entgegen zu bringen. Wer zum Metzger geht, der hat noch eine Ahnung davon, dass für das Steak in der Auslage ein Tier gestorben sein muss. Dieser Zusammenhang ist in den letzten Jahren ein bisschen verloren gegangen. Vielleicht essen die Leute deshalb achtlos so viel Fleisch.

Essen Sie selbst viel Fleisch?

Ja, sehr, sehr gerne. Ich würde sagen, 80 Prozent meiner Ernährung besteht aus Fleisch. Der Rest ist, glaube ich, Schokolade (lacht). Immer wenn mich jemand fragt, wie kannst du so etwas machen, sage ich: Ich bin Mensch, das ist meine Natur. Die Gewinnung von Fleisch war für viele früher ein großes Glück, das bedeutete, dass man überleben wird.

Können Sie Vegetarier und Veganer verstehen, die der Umwelt oder den Tieren zuliebe auf Fleisch verzichten?

Natürlich. Ich habe größten Respekt vor Menschen, die für sich selbst eine Art der Ernährung oder Lebensweise gefunden haben, die sie richtig und gut finden und diese vertreten. Aber dann soll man auch bitte Respekt haben, wenn jemand wie ich Fleisch essen will. Wenn man jetzt sagt, du bist ein schlechter Mensch, weil du Fleisch isst und weil du Tiere tötest, dann sage ich: Ja ich weiß, wie das ist, Tiere zu töten. Das ist auch notwendig. Im Grunde sollte jeder wissen, was passieren muss, um ein Schnitzel auf den Teller zu bekommen.

Die Menschen sollten sich die Mühe machen, mal hinter die Produktionskette zu gucken, und nicht einfach schreien: „Macht das Fleisch teurer, dann geht’s den Tieren besser“. Wer die ganze Kette kennt, der weiß: Da gibt’s ein Lebewesen. Dieses Lebewesen verdient Wertschätzung. Aber wir züchten die Tiere nur aus einem Grund: Wir wollen sie aufessen. Es gibt keinen anderen Grund, warum diese Tiere überhaupt hier in unserem Kulturraum vorkommen. Ich kann das Tier schlachten und ich werde es auch schlachten, wenn ich Hunger habe. Das ist Teil unserer Kultur und unseres Lebens.

Seit Monaten gibt es „Fridays for Future“-Demonstrationen, die sich für den Klimaschutz einsetzen. Merken Sie, dass ihre Kunden seitdem versuchen, seltener oder bewusster Fleisch zu essen?

Dass wir seitdem weniger verkaufen, ist nicht der Fall. Ich sag’ ja nicht, dass alle so viel Fleisch wie möglich essen sollen, damit ich mir die Taschen füllen kann. Sondern ich sage, dass es okay ist, Fleisch zu essen und deshalb niemand ein schlechtes Gewissen zu haben braucht. Sicherlich haben Bewegungen wie „Fridays for Future“ zu einem Nachdenkprozess geführt und es ist wichtig, sich zu fragen: Wie gehe ich mit den Ressourcen der Welt um?

Aber dass die Menschen an der Klimakrise schuld sind, ist eine Behauptung, der niemand widersprechen kann. Das Klima verändert sich ständig. Mittlerweile werden auch die Geschäftsmodelle, die hinter der Angst vor der Klimakatastrophe stecken, sichtbar. Ich befürchte, damit lassen sich am Ende sogar Wahlen gewinnen.

Wieso haben Sie sich damals dafür entschieden, Metzger zu werden?

Unseren Betrieb gibt es seit 1935. Mein Opa hat ihn gegründet, mein Vater hat ihn fortgeführt. Mit vier Jahren habe ich das erste Mal mit ihm zusammen ein Schwein geschlachtet. Für mich war schon sehr früh klar, dass ich die Familientradition weiterführen werde. Mir macht mein Beruf bis heute großen Spaß.

Mussten Sie sich schon einmal dafür rechtfertigen, dass Sie Metzger sind?

Natürlich fragt mal einer: „Warum machst du das denn?“ Dann sage ich, weil es mir Spaß macht, weil es ein Teil unserer Familientradition ist und weil es ein Beruf ist, den es schon sehr lange gibt. Bertolt Brecht hat mal gesagt: „Erst kommt das Essen, dann die Moral“. Für mich ist heute Essen mit Moral wichtig. Es ändert aber nichts daran, dass ich das Tier töten muss.

Es gibt heute weniger Metzgereien, Ausbildungsberufe sind generell immer unbeliebter – wie schwierig ist es für Sie, Mitarbeiter zu finden?

In meinem Betrieb haben wir ein sehr familiäres Miteinander, deswegen konnten wir bisher immer die passenden Leute finden. Ich denke aber schon, dass es immer weniger Metzgereien geben wird. Metzgereien schließen in der Regel nicht, weil die Kunden wegbleiben. Es fehlt einfach der Nachwuchs. Es gelingt uns Metzgern momentan nicht, den Beruf attraktiv darzustellen. Es gibt heute eine Vielzahl von Berufsmöglichkeiten, aus denen die Jugendlichen wählen können. Metzgereien werden aber nie ganz verschwinden. Wer Mut hat und bereit ist, hart zu arbeiten, kann als Metzger sehr glücklich werden.